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Wir bei Zweitag

Wasserstoff nach dem Hype: Anlauf des Hochlaufs
Minuten Lesezeit
wasserstoffaufschwung BVMW
Christian Peters

Wenn in der Antarktis die Temperaturen >30°C höher sind als erwartet und unser Wirtschaftsminister sich mit Autokraten in Katar anfreunden muss, um fossile Energieträger einzukaufen, wird die Notwendigkeit des Wandels hin zur Nachhaltigkeit glasklar. Wir wollen dabei mit anpacken mit unserem Knowhow im Aufziehen und Umsetzen von Digitalprojekten. Wie in unserem Trend-Bericht 2022 geschildert, sehen wir die Wasserstoffbranche als spannendes Feld, in dem gerade viel entsteht.

Aus Fliegerhorst wird H2-Innovationspark

Der ehemalige NATO-Flugplatz Hopsten im Münsterland ist ein Ort des Wandels. Hier entsteht unter dem Projektnamen »H2-Airport« ein Wasserstoff-Innovationspark. Forschung, Entwicklung und Produktion soll hier in einem “Habitat” zusammengebracht werden, um rein auf Basis erneuerbarer Energien Wasserstoff zu produzieren und neue Lösungen hervorzubringen.

Um den »Wasserstoffaufschwung im Mittelstand« zu stützen, luden der Bundesverband mittelständische Wirtschaft und der Energietechnik-Berater BEN-Tec in die alten Triebwerk-Testhallen des Fliegerhorsts, wo zukünftig Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff erprobt werden sollen.

Die Zeit des Wasserstoffs ist gekommen

Die Grundlage für den Austausch legt Prof. Dr.-Ing. Christof Wetter. Wasserstoff sei der Gamechanger der Sektorenkopplung: H₂ ist in altbekannten Elektrolyse-Verfahren aus Wasser herstellbar und per Pipelines und Tankern transportierbar. Er wird in Gebäuden zu Strom und Wärme umgewandelt, ermöglicht Kerosin-/Diesel-Ersatz im Flug- und Schiffsverkehr und dient der Industrie als Prozesswärme. Für die längerfristige Speicherung von erneuerbarer Energien komme nur Methan und Wasserstoff in Kavernen- und Porenspeichern infrage, stellt Wetter außerdem klar.

"Ich beschäftige mich schon seit Jahrzehnten mit Wasserstoff. Die Technologie hat immer wieder mal einen Hype erfahren – aber dieses Mal ist ihre Zeit gekommen, da bin ich mir sicher."
— Prof. Dr.-Ing. Christof Wetter

Die viel zitierte »Zeitenwende« durch den russischen Angriffskrieg markiert letztlich auch den Richtungswandel vom Erdgas zum Wasserstoff. Robert Habeck kommentiert Kooperationsbeschlüsse mit den Arabischen Emiraten, der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft werde „unter dem Druck der Zeit‟ deutlich beschleunigt. Und schon die GroKo hatte in der »Nationalen Wasserstoffstrategie« ein Förderprogramm von über 10 Mrd. Euro vorgesehen.


Die Erdgasinfrastruktur in Deutschland biete laut Prof. Wetter großes Potenzial für eine zeitnahe Integration von Wasserstoff in unser Energiesystem. Gerade im Nordwesten findet sich ein dichtes Fernleitungsnetz, das in Teilen auf die Nutzung durch Wasserstoff umgestellt werden kann. (Quelle: FNB Gas e.V.)

Vorzeige-Ökosystem im Emsland

Stichwort Nordwesten: Das Emsland kann schon rund 50 Wasserstoffprojekte aufweisen, wie der Leiter der öffentlichen Organisation »H2-Region Emsland« Dr. Tim Husmann berichtet. Im Bild oben stellt er das Projekt vor, wie der Raffinationsprozess in Lingen grün gemacht werden soll. An Mineralöl haftet nämlich nicht nur der Fußabdruck der Nutzung, sondern auch der Herstellung. Jährlich werden hierfür 3,4 TWh »grauer Wasserstoff« produziert. Im Gegensatz zum »grünen Wasserstoff« aus Wind und anderen Erneuerbaren wird grauer Wasserstoff mithilfe von fossilem Erdgas gewonnen. Die Umstellung für die Raffinerien ist ein echter Quick Win, da diese bereits Wasserstoff einsetzen.

Aber auch an der harten Nuss Stahlproduktion wird in Lingen gearbeitet. Auf dem RWE-Gelände tun sich der Stahlproduzent BENTELER Steel/Tube und das Start-up CO₂Grab zusammen. In ihrem Pilotprojekt wird Eisenerz per »Direktreduktion« mit grünem Wasserstoff zu Stahl für Rohre verarbeitet.

Es finden sich zahlreiche weitere Beispiele: In der weltweit ersten Power-to-Gas-Industrieanlage der kiwi AG werden seit 2013 1.000 Tonnen synthetisches Methan eingespeist, die Abfallwirtschaft Emsland setzt auf H₂-betriebene Fahrzeuge für die Sperrmüllsammlung, im H2Agrar-Pilotprojekt werden Traktoren mit Brennstoffzelle getestet und für diese Mobilitätsprojekte entstehen gerade 10 Wasserstoff-Tankstellen.

Diese zunächst vereinzelten Modellprojekte und erste Produktionsbetriebe bilden den »Nukleus«, woraus das Wasserstoff-Ökosystem erwächst. Erzeuger und Importeure, Infrastrukturbetreiber und Nutzer sind alle eigenständige Organisationen mit eigenen Interessen und Plänen, die durch Zusammenschluss in Konsortien oder übergreifenden Kooperationen zusammenkommen müssen. Netzwerkorganisationen wie die H2-Region Emsland leisten hierbei einen wichtigen Beitrag zur Realisierung des Wasserstoffhochlaufs.


Ambitionierte Pläne kommuniziert auch GET H2, ein Netzwerk aus hiesigen Konzernen, kleineren Partner und Kommunen. In dem Nukleus-Projekt von fünf GET H2 Partner wird das Emsland Stück für Stück mit Kavernenspeicher und Chemieindustrie im Ruhrgebiet, einem Importpunkt in den Niederlanden und dem Stahlwerk Salzgitter angebunden. (Quelle: GET H2)

Aus Henne-Ei-Problem mach Hochlauf: Zwei verschiedene Wege

Was bei den Gesprächen auf dem H2-Airport klar wurde: Die Akteure der Wirtschaft können noch nicht wirtschaftlich agieren. Der Mangel an Erzeugern und Abnehmern birgt wechselseitig Risiken. Man investiert in Pläne, Konzepte, Kooperationsvorhaben und Marketing. Das ist getrieben von dem Glauben an die Sache. Es kommt typisch deutscher Ingenieursgeist verbunden mit einer starken Anpacken-Mentalität rüber. Doch es folgt der Moment des Zögerns: die kostenintensive Projektrealisierung ist verbunden mit der lauten Forderung nach Förderung. Ein Vorpreschen könnte teuer zu stehen kommen, denn der Markt regelt noch nicht.

Das fasst eigentlich auch schon die Panel-Diskussion zwischen den Praktiker:innen und des Vertreters der Politik zusammen: Macht die Fördersäckel weit auf, damit’s losgehen kann.

Einen alternativen Ansatz dazu habe ich im »Hydrogen Bar«-Podcast gehört, als ich auf dem Heimweg vom Event durch das Münsterland gedieselt bin. In den Folgen #82 und #83 erzählt Patrick Huber, Verwaltungsratspräsident der H2 Energy AG, wie er und sein Team in der Schweiz eine Brennstoffzellen-LKW-Flotte aufgebaut haben. Das Besondere daran: Sie ist wirtschaftlich rentabel, weil die Schweiz die externen Kosten von Emissionen stärker auf die Verursacher verlagert.

"Es ist eine Bürgerpflicht, bessere Wege zu finden."
Patrick Huber, Chairman H2 Energy AG

Spielweise und Selbstverständnis von Politik und Wirtschaft seien in der Schweiz anders gelagert. Unternehmen würden von der Politik keine Industriepolitik erwarten können und müssten daher vorausschauend investieren, so Huber. Sie gingen in Vorleistung, weil es kaum Subventionen gäbe. Die Bereitschaft der Industrie zu Veränderung sei viel kraftvoller als wenn die Politik top-down bestimme.

Ich empfinde die schweizerische Steuerungspolitik über mehr CO2-Preis und weniger Fossil-Subventionen als sehr elegant. Das ist vorausschauender als das langjährige deutsche Beschützen überkommener Technologien wie z.B. in Sachen Emmissionsregulierung von Verbrennerfahrzeugen. Für einen Kurswechsel ist jetzt aber nicht die Zeit. Jetzt zählt nur Geschwindigkeit im Hochlauf der Erneuerbaren – koste es (dem Staat/der EU), was es wolle.

Warten oder Starten

Unabhängig von der Makroebene kann sich aber auch jede Unternehmerin und jeder Unternehmer fragen: Nehme ich für die Förderungen Ineffizienzen, Marketing- und Bürokratie-Aufwände sowie Liegezeiten in Kauf? Oder überwiegen nicht die First-Mover-Vorteile?  

"Subventionen haben immer einen Preis. Der Preis ist die Zeit. Die ist ein Wettbewerbsvorteil. Man muss entscheiden, ob man etwas später macht. Wir sind sehr ungeduldig."
— Patrick Huber, Chairman H2 Energy AG

Mir gefällt der “Spirit” dahinter. Viel zu häufig betrachten wir nur die Kosten des Handelns und nicht die des Nichthandelns. Zudem entspricht diese Denke auch dem »Lean-Startup-Mindset«: Man startet als Gründer:in mit dem Glauben an eine Sache, aber baut keine zu großen Detailpläne darauf auf. Die Gefahr ist, dass einen die Realität einholt. Daher möglichst schnell die kleinste marktfähige Lösung an den Start bringen und das Feedback des Marktes aufnehmen. Damit begibt man sich ohne Umwege auf einen iterativen Innovationspfad mit schnellen Ergebnissen und schnellen Lernerfolgen.

Wasserstoffhochlauf digital?

Ob etwas zögerlich oder beherzt: In Deutschland investieren Mittelstand, Konzerne und auch der Staat in Wasserstoff und sorgen damit für den Aufbau eines Ökosystems. Gefragt sind die Entwicklung von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen sowie der Bau von technischen Anlagen und Netzinfrastruktur – alles echte Ingenieurleistungen; das können wir in Deutschland.

Wir strecken als Zweitag die Hand aus, um auch digitale Lösungen zu entwickeln. Die Koordination von Produktion, Logistik, Bereitstellung und Abnahme; virtuelle Zwillinge; Erhebung, automatisierte Auswertung und Visualisierung von Daten; preisoptimaler Strombezug; Marktplätze – der Innovationsraum für smarte Lösungen ist groß. Wir müssen ihn nur nutzen.

Ich führe gerade einige Gespräche mit Akteur:innen in der Branche. Für viele stehen besagte Hardware-Themen im Vordergrund. Es kommen aber auch erste Opportunities in der digitalen Sphäre auf. Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail an kontakt@zweitag.de oder vernetzen Sie sich mit mir auf LinkedIn und wir loten zusammen etwas aus.

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Lasst uns reden.